Nachhaltigkeit im E-Commerce: 5 Aspekte, die Händler auf dem Schirm haben sollten

Online-Handel muss Nachhaltigkeit mitdenken!

Spätestens seit Fridays for Future ist klar: Nachhaltigkeit ist nicht länger ein leeres Schlagwort, dem keine Taten folgen. Nicht nur der junge, digitalaffine Teil der Zielgruppe des Online-Handels erkennt immer deutlicher, wie dringend gesellschaftliche Veränderungen nötig sind, um auch nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Welt zu hinterlassen. Obwohl oder gerade weil Nachhaltigkeit im E-Commerce (noch) kein großes Thema ist, bietet sich umweltbewussten Händlern in diesem Segment die Chance, Nachhaltigkeit als ihren unique selling point zu etablieren – und zugleich Geld zu sparen. 

Denn allein die Größe des Marktes hat Potenzial: Mit einem erwarteten Umsatz von über 65 Milliarden Euro in 2019 wächst der Onlinehandel in Deutschland um knapp elf Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ein Ende ist auch in den nächsten Jahren nicht in Sicht. Bis 2023 wird erwartet, dass etwa 20 Prozent der Einzelhandelsumsätze online gemacht werden. Besonders bemerkenswert: Wie eine Studie von Facit Research 2017 ergab, spielt für rund zwei Drittel der Befragten bei der Kaufentscheidung eine große Rolle, wie nachhaltig das Produkt beziehungsweise der Händler erscheint, ehe sie den „Bestell“-Button klicken. Seit Umwelt- und Klimaschutz in der allgemeinen gesellschaftlichen Debatte angekommen sind, dürfte sich der Anteil jener, die wenig mit Nachhaltigkeit im E-Commerce anfangen können, noch einmal deutlich verringert haben. 

Noch in den Kinderschuhen: Nachhaltigkeit im Onlinehandel

Für den Onlinehandel ergibt sich daraus eine große Aufgabe – und ein ebenso großes Potenzial. Erst rund ein Drittel der Onlinehändler hat sich mit der Nachhaltigkeit seiner Geschäftspraktiken beschäftigt. Umfassende und konsequente Maßnahmen setzen die wenigsten um. Wer sich jetzt ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzt, kann darüber nicht nur eine Menge Geld sparen – etwa bei Verpackungsmüll oder Retourenquote –, sondern auch eine Vorreiterrolle in der Branche einnehmen und seine Bemühungen effektiv in der Kundenkommunikation vermarkten.

Aber wo und wie anfangen? Gerade kleinere Onlinehändler, die über Marktplätze wie den des Versandriesen Amazon verkaufen, können sich häufig keine professionelle Beratung oder gar einen eigenen Mitarbeiter für Nachhaltigkeit im E-Commerce leisten. Doch auch ohne große Ressourcen nähern sich Händler mit den folgenden fünf Aspekten Schritt für Schritt ihrem Ziel. 

Ansätze zur Erhöhung der Nachhaltigkeit im E-Commerce

#1: Das Sortiment: Produkte, Herstellung und Kaufanreize

Die Königsdisziplin gleich zu Anfang: Wer seine komplette Produktpalette umstellen will, hat zwar eine Menge vor, erzielt aber sicherlich auch die größte Wirkung. Hier spielen dann Herstellungsprozesse ebenso eine Rolle wie die genutzten Ressourcen, die Ausgangsmaterialien oder deren Gewinnung. Die Zertifizierung ist oftmals kompliziert, gleichzeitig schlägt sich das Engagement aber hinterher im Produktpreis nieder. 

Dieser Mammutaufgabe ist aber sicher nicht jeder Onlinehändler gewachsen. Zum Glück zeigen auch weniger tiefgreifende Maßnahmen Wirkung: So kann ein Hinweis zu den umweltschädlichen Auswirkungen von Mehrfachbestellungen ein und desselben Artikels Kunden davon abhalten, das Produkt in verschiedenen Variationen oder Größen zu bestellen. Eine präzise Beschreibung und professionelle Fotos leisten oft ebenso gute Dienste. Bei Kleidung bietet es sich beispielsweise an, eine genaue Größentabelle zur Verfügung zu stellen, anhand welcher Käufer ihre Kleidergröße selbst ermitteln können. Auf diese Weise lassen sich unnötige Retouren verhindern und die Nachhaltigkeit im E-Commerce steigern.

#2: Der Versand: Verpackung, Lieferung und Retouren

2017 bestellten Amazon-Kunden durchschnittlich rund 41 Mal im Jahr beim Versandriesen. Dabei befanden sich im Warenkorb etwa 1,3 Produkte. Weniger als noch vor einigen Jahren, als Kunden pro Bestellung noch beinah zwei Produkte geordert haben. Kleinerer Warenkorb, mehr Bestellungen – für Händler bedeutet das einen höheren Verbrauch an Verpackungsmaterialien und Versandkartons sowie steigende Kosten. 

Wichtiger als die recycelbare, nachhaltige Verpackung sind im Onlinehandel jedoch Lieferung und Retouren. Die großen Versandunternehmen wie DHL, Hermes oder DPD bieten schon seit einiger Zeit den klimaneutralen Versand an, bei dem die entstehenden Treibhausgasemissionen etwa durch die Investition in Klimaschutzprojekte ausgeglichen werden. Amazon-Händler, die diesen Service nutzen, können bei ihren Kunden auch gezielt damit werben. 

Ob Kunden ihre Bestellung retournieren, hängt auch von den Versandoptionen ab. Wer sein Fulfillment selbst abwickelt, sollte dennoch auf einen schnellen Versand achten, denn je reibungsloser der Kunde seine Bestellung erhält, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass er die Sendung retourniert.

Selbstredend ist die Vernichtung zurückgeschickter Ware die denkbar schlechteste Option im Sinne der Nachhaltigkeit im E-Commerce – vielmehr bietet es sich an, diese Produkte auf Beschädigungen zu überprüfen und dem Sortiment wieder zuzuführen oder aber einem gemeinnützigen Zweck zu spenden.

#3: Das Unternehmen: Mitarbeiter und Geschäftsalltag

Wenn Nachhaltigkeit im E-Commerce beim Sortiment beginnt, sollte sie beim Firmensitz nicht enden. Gerade größere Unternehmen unterschätzen oft die Menge an CO2, die sie durch entsprechende Maßnahmen in ihrem Hause einsparen könnten. Welcher Energiemix wird beispielsweise bezogen? Handelt es sich um Kohlestrom, kann ein Wechsel zu einem Anbieter von Energie aus nachhaltigen Quellen ins Auge gefasst werden, etwa von Naturstrom oder Greenpeace Energy. Und woher stammt das kostenlose Obst – aus Übersee oder der Region, und ist es saisonal überhaupt zu bekommen? Zudem stellen viele Unternehmen ihren Mitarbeitern kostenlos Getränke zur Verfügung. Wer Nachhaltigkeit auch im E-Commerce groß schreiben möchte, achtet auf Mehrwegflaschen oder installiert sogar einen Wasserspender. 

Zudem sollten Mitarbeiter gezielt angehalten werden, ihre tagtäglichen Entscheidungen zu reflektieren. Muss es der Inlandsflug sein oder ist eine Bahnfahrt zum Geschäftstermin nicht vielleicht sogar entspannter? Kann ein Jobticket dazu beitragen, die Nutzung des ÖPNV gegenüber dem Auto zu steigern? Schmeißt jeder seinen Abfall in irgendeine Tonne oder wird auf Mülltrennung geachtet? 

#4: Das Marketing: Image, Kundenkommunikation und Transparenz

Wer nachhaltig wirtschaftet, kann dies im Marketing aktiv zu seinen Gunsten nutzen. Das fördert das Image, insbesondere bei den vielen jungen Kunden auf Amazon. Noch ist das Thema in der Branche eher unterrepräsentiert – wer sich jetzt gut aufstellt, kann dadurch für sich einen unique selling point generieren. Doch Achtung: Greenwashing schadet der eigenen Marke mehr, als es nützt! Alle an den Kunden kommunizierten Maßnahmen müssen zu jeder Zeit eingehalten und zudem nachverfolgbar sein. Denn Ehrlichkeit ist laut einer Studie des ECC Köln für über 90 Prozent der Konsumenten eines der Top-Kriterien hinsichtlich der Meinungsbildung über einen Onlineshop. Das gilt auch für die Nachhaltigkeit im E-Commerce-Bereich.

Greenwashing …

… ist der Versuch von Unternehmen, sich durch Marketing- und PR-Kampagnen ein grünes Image zu verleihen, ohne allerdings tatsächlich entsprechende Maßnahmen umzusetzen. Prominentes Beispiel ist etwa der grüne RWE-Riese, der fleißig Windräder in die Landschaft setzte, während der Anteil erneuerbarer Energien im Konzern unter drei Prozent lag. Auch 2018 werden nur magere 5,6 Prozent an grünem Strom gewonnen und das Unternehmen rangiert in den Top 15 der größten CO2-Emittenten Europas.

Eine gute Möglichkeit, die eigenen Anstrengungen für mehr Nachhaltigkeit im E-Commerce transparent zu kommunizieren, sind Zertifikate. So haben sich beispielsweise viele Händler und Hersteller der Outdoor-Branche dem Global Traceable Down Standard oder dem Responsible Down Standard angeschlossen. Beide Labels zertifizieren Daunenprodukte hinsichtlich Haltung, Fütterung und Co. Lebendrupf oder Zwangsmästung sind so ausgeschlossen – geprüft werden die Versprechen von unabhängigen Organisationen, die regelmäßig unangekündigte Kontrollen durchführen. Ein absolutes No-Go sind hingegen eigens erfundene Zertifikate ohne jeden Inhalt, die den Kunden täuschen. Auch leere oder irreführende Werbeversprechen können eine ganze Marke in Verruf bringen.

#5: Die Überprüfung: Marktanalyse und Erfolgskontrolle 

Nachhaltigkeit wird auch im E-Commerce immer wichtiger. Doch es ist kein Selbstzweck. Nur wer sich auf dem Markt auch grundsätzlich behaupten kann, wird mit seiner umweltverträglichen Strategie langfristig Erfolg haben und gegebenenfalls andere, weniger nachhaltige Anbieter verdrängen. Deswegen sollten Onlinehändler entsprechende Tools zur Marktbeobachtung einsetzen – denn in der schnelllebigen und riesigen Onlinewelt ist die nicht-automatisierte Analyse einfach nicht mehr möglich. 

Zugleich sollten aber auch die Erfolge der neuen Nachhaltigkeitsoffensive im Auge behalten werden. Wie viel mehr zahlen Kunden für umweltverträgliche Produkte, wie viele Emissionen wurden eingespart, seit der Strommix gewechselt wurde und wie viele Mitarbeiter kommen bereits mit dem Nahverkehr? Denn damit erfahren Händler nicht nur mehr über ihre Kunden, sondern es motiviert auch die Angestellten, alle am selben Strang zu ziehen.

Fazit: Es muss nicht immer der große Sprung sein!

Immer mehr Verbraucher achten aktiv auf ihren ökologischen Fußabdruck und die Umwelt, etwa indem sie recyceltes Material bevorzugen und weniger retournieren. Aber nicht jeder Amazon-Händler oder Onlineshop-Betreiber kann sein Sortiment komplett umkrempeln. Wer Elektronikprodukte verkauft, hat meist wenig Einfluss auf die globalen Strukturen der Rohstoffgewinnung für Batterien. Insbesondere kann der kleine Onlinehandel beim Thema Nachhaltigkeit im E-Commerce an seine Grenzen stoßen. 

Trotzdem können umweltbewusste Onlinehändler mit kleinen Maßnahmen viel erreichen: Sei es der Wechsel zu Ökostrom, umweltfreundliche Versandkartons oder die Zertifizierung von Produktbestandteilen – selbst im Kleinen lässt sich einiges bewirken. Damit wird nicht nur die Umwelt geschont, auch der Händler profitiert von Kostenersparnis und Imageverbesserung. Denn ein geringerer ökologischer Fußabdruck, Nachhaltigkeit und E-Commerce müssen sich nicht ausschließen.

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