Sourcing für Onlinehändler: Import aus China versus Einkauf in der EU – Wann ist was sinnvoll?

„Im Einkauf liegt der Gewinn“, diese bekannte Handelsweisheit gilt heute mehr denn je. Gerade Onlinehändler stehen auf der Verkaufsseite permanent im preislichen Wettbewerbskampf. Dieser Beitrag zeigt die Vor- und Nachteile der verschiedenen Einkaufsstrategien auf und gibt Tipps, worauf Onlinehändler achten sollten.

Über die Autorin

Martina Schimmel (Dipl.-Kfm.) ist Deutschland-Managerin der Beschaffungsplattform zentrada und  damit bei dem europaweiten Großhandels-Marktplatz für die Betreuung der deutschen Lieferanten sowie Einkäufer verantwortlich. Die gelernte Journalistin beschäftigt sich seit Jahren mit den innovativen Themen des Handels. Als nebenberufliches Hobby betreibt sie das Schneekugelhaus und kennt damit auch die Themen Asien-Import, Vertrieb über Online-Shop und Amazon FBA sowie den Aufbau eines Handelsvertriebs aus eigener Erfahrung.

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Der Import aus China

Die Hauptargumente für den Import aus China sind in der Regel der günstige Netto-Stück-Preis sowie die große Auswahl an Produkten und Herstellern und die große Flexibilität in Richtung individuelle Herstellung. Im Allgemeinen sind die chinesischen Hersteller auch bereit mit jedem Händler zusammen zu arbeiten, der bezahlen kann. In Europa muss man dagegen häufig erst einmal ein „Bewerbungsverfahren“ durchlaufen, bei dem an dem Punkt „Onlinehändler und Verkauf auf Marktplätzen“ auch schnell einmal eine Absage kommt.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch klare Nachteile bei einem Lieferanten aus Fernost. Je nach Produktgruppen und Frachtmöglichkeiten muss in China eine deutlich höhere Menge gekauft werden als in Europa. Denn bei großen und/oder schweren Produkten rechnet sich häufig nur der Seeweg für den Transport. Dort führen jedoch schon die Handlingkosten am Hafen dazu, dass die chinesischen Produzenten in dem entsprechenden Produktsegment nur Aufträge über 5000 Dollar Wert annehmen. Diese Einschränkungen gibt es beispielsweise im Bereich Dekoration und Polyresin. Dagegen sind Produkte aus dem Bereich Fashion oder Elektronik in der Regel in kleinen Mengen einfach über Luftfracht zu versenden. 

Auf jeden Fall sind die Logistikkosten aber aufgrund der großen Distanz höher und der Transport dauert länger als beim Bezug in Europa, so dass man in diesem Bereich immer langfristiger planen muss. Bei Seefracht muss man insgesamt mit zirka 8 Wochen rechnen, 4 Wochen für den reinen Seeweg, der Rest fällt für Vor- und Nachlauf am Hafen und im jeweiligen Land an. 

In der Regel wird der Chinese auch Individualisierungen erst ab einer gewissen Menge anbieten. Die Sprachbarriere kann die Kommunikation schwierig gestalten. All diese Punkte führen dazu, dass das Risiko, dass letztlich etwas schief geht, höher ist als beim Einkauf bei einem etablierten Hersteller oder Importeur.

Auf jeden Fall sind die Logistikkosten aber aufgrund der großen Distanz höher und der Transport dauert länger als beim Bezug in Europa, so dass man in diesem Bereich immer langfristiger planen muss. Bei Seefracht muss man insgesamt mit zirka 8 Wochen rechnen, 4 Wochen für den reinen Seeweg, der Rest fällt für Vor- und Nachlauf am Hafen und im jeweiligen Land an. 

In der Regel wird der Chinese auch Individualisierungen erst ab einer gewissen Menge anbieten. Die Sprachbarriere kann die Kommunikation schwierig gestalten. All diese Punkte führen dazu, dass das Risiko, dass letztlich etwas schief geht, höher ist als beim Einkauf bei einem etablierten Hersteller oder Importeur.

Wenn sich ein Onlinehändler für den Import aus China entscheidet, muss er beachten, dass er damit zum Quasi-Hersteller wird. In vielen Segmenten gibt es zum Schutz des europäischen Verbrauchers gesetzliche Vorschriften und Verordnungen, die ein Produkt, das in die EU eingeführt werden soll, erfüllen muss. Beispielsweise bei Elektrogeräten, Spielwaren oder auch Produkten, die mit Lebensmitteln oder dem menschlichen Körper in direkten Kontakt kommen. Gibt es derartige Regularien für eine Produktgruppe, dann muss der Importeur anhand einer Konformitätserklärung darlegen, dass das importierte Produkt den Vorschriften entspricht („konform ist“). Am Produkt selbst wird das CE-Zeichen angebracht um das Erfüllen der Vorschriften offen zu zeigen.

Beim Import in die EU prüft die zuständige Zollstelle, ob das Produkt diese Verordnungen erfüllt. Der Importeur ist dafür verantwortlich, all diese Verordnungen einzuhalten und haftet in diesem Zusammenhang auch für spätere Schäden, die das Produkt verursacht.

Der Importeur sollte sich also vorher darüber informieren, welche Nachweise, Zertifikate und Kennzeichnungen die Produkte benötigen. Allein für Elektrogeräte können das die CE-Kennzeichnung, Registrierung nach dem Elektrogesetz, Elektrostoffverordnung (RoHS-Richtlinie), Prüfung der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV-Prüfung), Eintragung ins Elektronik-Altgeräteregister und der Nachweis bleifreien Lötens sein. Dies nur als Beispiel.

Wer sich über die nötigen Kennzeichnungen und Zertifikate für einen bestimmten Produktbereich informieren möchte, kann dies bei der Plattform ProductIP. Die Fachleute dort können bereits ab 30 Euro alle Anforderungen herausfinden, die für die Verkehrsfähigkeit eines Produktes erfüllt sein müssen.

Beschaffung innerhalb der EU

Die Nachteile der Beschaffung in Fernost bilden die Basis für die Vorzüge des EU-Sourcing. Händler können hier bereits produzierte Handelsware in kleinen Mengen einkaufen, und bei Bedarf schnell und flexibel nachkaufen. Für die Einhaltung aller Vorschriften ist der Importeur zuständig, der an den Händler verkauft.

Zeigen sich Probleme mit fehlenden CE-Zeichen (ich erinnere an die Import- und Zollmisere der Handspinner im Frühjahr 2017) kann der Händler seinen Lieferanten in Regress nehmen und für eventuelle Schäden haftbar machen. Demgegenüber stehen die höheren Stückpreise beim Einkauf. Ein genaues Kalkulieren mit allen Kosten (inclusive Fracht, Zoll und Finanzierung etc.) ist deshalb nötig.

Die richtige Beschaffungsstrategie für den Onlinehandel

Eine allgemein gültige Strategie Entweder-Oder macht aus den vorgenannten Gründen für den Onlinehandel keinen Sinn. Stattdessen gibt es verschiedene Erfolgskonzepte zum Thema Beschaffung. Zwei davon stellen wir hier vor:

Einsteiger-Strategie

Clevere Onlinehändler starten in neuen Produktgruppen immer mit Handelsware aus der EU. Damit können Sie sofort erkennen, welche Zertifikate erfahrene Importeure nachweisen und sammeln außerdem Erfahrungen mit den Produkt- und Kundenfeedbacks. Sie erkennen welche Anforderungen Kunden an die Produkte haben, wie groß die Marktnachfrage ist, welche Preisniveaus am Markt durchsetzbar sind und welche Features Probleme machen. Diese sind dann Grundlage von Produktinnovationen bei eigenen Entwicklungen. Der angenehme Nebeneffekt: Für immer mehr Kategorien erwartet Amazon zur Freischaltung eine Lieferantenrechnung als Beleg. Dafür eignen sich die Rechnungen der europäischen Hersteller und Importeure allgemein besser als eine chinesische.

Sortiments-Mix-Strategie

Auch die größten Onlinehändler importieren nicht alles selbst in China. Ebenso wie erfahrene Importeure sich auf bestimmte Hauptproduktgruppen beschränken und den Rest bei Kollegen zukaufen, importieren große Onlinehändler ihre Kernsortimente in Mengen in Fernost. Ergänzungssortimente, Trendwaren und kurzfristige Angebote werden aber bei Importeuren und Großhändlern in Europa gekauft.

Alternative Dropshipping?

Aktuell ist das Thema Dropshipping mal wieder als die Methode für das schnelle Geldverdienen im Gespräch. Unter dem Stichwort „Shopify Dropshipping“ schießen Verkäufer von Ausbildungs-Kursen aus dem Boden und versprechen „Viel Gewinn mit wenig Arbeit“.  Aus diesem Grund wollen wir dieses Thema hier auch kurz beleuchten.

Dropshipping bedeutet, dass der Händler, der ein Produkt an einen Kunden verkauft, dieses ihm nicht direkt schickt. Stattdessen schickt der Händler einen Auftrag an den Produzenten, der dieses dann direkt an den Kunden verschickt. Der Vorteil für den Hänlder: Er muss die Ware nicht auf Lager nehmen und vorfinanzieren. Dafür erhält im Gegenzug der Hersteller einen Serviceaufschlag für das Versenden von einzelnen Aufträgen. Der Nachteil des Systems: Der Händler hat die Ware selbst nie in Händen, kann also weder die Qualität des Produkts prüfen, noch weiß er genau, was der Hersteller verschickt hat.

In Zusammenhang mit Dropshipping aus Asien kommen auf den Hersteller die gleichen Pflichten zu wie beim normalen Import. Auch hier ist der Händler der Inverkehrbringer der Ware und haftet für eventuelle Schäden. In der Regel wird Asien-Dropshipping nur mit günstigen Produkten betrieben, die beim Zoll nicht auffallen und deshalb einfach so durchgehen.

Ein seriöser Händler sollte Dropshipping nur mit Lieferanten betreiben, die absolut zuverlässig sind und die Prozesse im Vorfeld abstimmen. Häufig wird Dropshipping als Sortimentsergänzung betrieben. Dann nimmt der Händler sein Kernsortiment und die Produkte, die häufig verkauft werden auf Lager. Den Rest bietet er dann im Dropshipping-System mit wenig Risiko an.  

Incoterms: Was steckt hinter den verschiedenen Klauseln?

Diese Incoterms sind internationale Definitionen für die Frage, wer was beim Transport bezahlt und wer zu welchem Zeitpunkt für die Ware verantwortlich ist. Sie gelten also ebenso in Europa, dort sind allerdings nur ein Teil davon gängig.

Sourcing Onlinehändler Infografik

In Fernost ist die gängigste Variante FOB (Free on Board), was sowohl ein Schiff, ein Flugzeug wie auch ein Zug sein kann.

Wenn Sie sich über die Incoterms im deutschen Raum informieren wollen, finden Sie auf der Seite der IHK zu diesem Thema ein hilfreiche Übersicht. Klicken Sie hier, um zu dieser Übersicht zu gelangen.

Worauf sollten Onlinehändler beim Einkauf achten?

  • Kalkulieren Sie scharf und steigen Sie auch konsequent wieder aus
    Im Onlinehandel ist der Preiswettbewerb knüppelhart. Kalkulieren Sie deshalb genau, welcher Verkaufspreis sich für Sie noch lohnt, und ab wann Sie aussteigen müssen. Beziehen Sie in diese Kalkulation aber auch wirklich alle Faktoren ein: Von Skonto bis zu Jahresbonuszahlungen über mögliche Sondervergütungen vom Lieferanten. Und wenn der Preiskampf zu eng wird, ziehen Sie sofort die Reißleine und listen das Produkt aus.
  • Agieren Sie schnell und konsequent
    Jedes Produkt hat einen Produktlebenszyklus, der aus Einführung, Wachstum, Höhepunkt und Abschwung besteht. Im Onlinehandel ist dieser Lebenszyklus deutlich ausgeprägter als im stationären Handel. Am Trendthema Hand Spinner konnte man das im Frühjahr 2017 sehr gut sehen. Im Onlinehandel waren die Spinner bereits Ende 2016 erhältlich und waren dort längst „durch“. Die Preise waren bereits am Tiefpunkt. Erst zu diesem Zeitpunkt ist der stationäre Handel auf das Thema eingestiegen. Ein reiner Onlinehändler muss deshalb auf einen neuen Trend sehr früh aufspringen und muss dann schnell lieferfähig sein. Ansonsten läuft er Gefahr, dass er am Ende auf Restmengen sitzen bleibt.
  • Bestellen Sie kleine Mengen und Überwachen Sie Bestandsveränderungen
    Gerade bei volatilen Themen sollte ein Händler erst einmal kleine Mengen bestellen und testen, wie das Produkt ankommt. Gleichzeitig muss er den Abverkauf überwachen um rechtzeitig nachzubestellen, wenn der Run kommt. Denn jeder Tag „out of stock“ kostet Rankingpunkte, Umsatz und letztlich Geld.
  • Machen Sie sich möglichst einzigartig
    Obwohl man meinen könnte, dass es im Onlinehandel bereits alles gibt, ist das nicht so. Suchen Sie deshalb nach Produkten, die es noch nicht gibt, oder für die es noch keine guten Listings gibt und erstellen Sie Ihr eigenes. Private Label Produktion ist dabei nur eine Möglichkeit von vielen. Eine weitere ist der Einkauf bei ausländischen Lieferanten aus benachbarten EU-Ländern (z. B. Frankreich oder Polen), die bei den deutschen Händlern noch kaum vertreten sind. Damit haben Sie Ihr eigenes Listing und sind nicht im Preiswettbewerb mit vielen Konkurrenten. 
  • Nutzen Sie den europäischen Preisvergleich
    Obwohl die deutschen Importeure und Hersteller bereits über ein sehr wettbewerbsfähiges Preisniveau verfügen, so lohnt sich doch immer der Preisvergleich. Viele polnischen oder ungarischen Lieferanten haben die gleichen Produkte zu günstigeren Preisen im Angebot.
  • Qualitätssicherung und -kontrolle
    Besonders bei der Beschaffung in China ist eine Qualitätskontrolle vor Versand und Bezahlung ein absolutes Muss. Doch auch beim Einkauf in Europa kann immer mal etwas schief gehen. Achten Sie deshalb darauf, dass Sie Fehllieferungen und Mängel auch reklamieren können.

Fazit

Gerade im Onlinehandel ist eine ausgefeilte Beschaffungsstrategie die Basis für den Erfolg. Überstürzen Sie deshalb nichts.

Plattformen die zum Sourcing für Onlinehändler geeignet sind

Bildnachweise in der Reihenfolge der Bilder: © yurchello108 – stock.adobe.com / © Mike Mareen – stock.adobe.com

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SellerLogic Repricer
Ermöglicht mittels dynamischer und intelligenter Preissteuerung, die Produkte in der Amazon Buy Box zu platzieren und zum höchstmöglichen Preis zu verkaufen.
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SellerLogic Lost & Found
Überwacht FBA-Prozesse auf mögliche Fehler und unterstützt Händler bei ihren Erstattungsansprüchen gegenüber Amazon. Der Händler schickt die Fälle via Copy & Paste an Amazon.
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Business Analytics für Amazon verschafft Ihnen den Überblick über Ihre Profitabilität – für Ihr Business, einzelne Marktplätze und all Ihre Produkte.